ein tag krieg im fernsehen

um uns mit der kriegsberichterstattung im deutschen fernsehen auseinanderzusetzten haben wir am 21. april 1999 von folgenden sendern die jeweils längste nachrichtensendung des abends aufgezeichnet: ard, kabel 1, pro 7, rtl, rtl 2, sat 1, vox und zdf.

wir haben die sendungen daraufhin untersucht, wie über den krieg berichtet wird und dazu folgende thesen formuliert:

1
vermeintlich "objektive nachrichten" dienen der legitimation der nato-kriegsführung

am 21. april 1999 wurde in belgrad des hochhaus bombardiert, in dem einige fernsehsender und die zentrale der sozialistischen partei ihre räume hatten. in den sat1-nachrichten werden die bilde der brennenden hochhauses mit den worten "das war eine der schaltzentralen der macht" kommentiert und zur weiteren erläuterung erscheint gleich danach nato-sprecher shea und sagt "dieses gebäude war das zentrum der menschenverachtenden propaganda- und mordmaschinerie von herrn milosovic". belege dafür, welche macht von diesem gebäude aus ausgeübt wurde, welche "mordmaschinerie" von hier ausging gibt es nicht. aber allein die worte wirken bedrohlich so das die bombardierung des gebäudes gerechtfertigt erscheint.

ebenfalls am 21. april 1999 werden weiter apache-hubschauber in albanien stationiert. in den tagesthemen (ard) wird zu den bildern der fliegenden hubschrauber im off-kommentar erläutert, daß sie vor allem im kosovo eingesetzt werden sollen, weil die nato bisher "... im kosovo selbst, wo die greueltaten geschehen, wenig erfolg hat". die "greueltaten" werden als gegeben vorausgesetzt und bedürfen keiner weiteren erläuterung. der einsatz der kampfhubschrauber ist gerechtfertigt.

ein in allen nachrichten zu beobachtender legitimationszusammenhang ist der, daß in der regel unmittelbar nach bildern des krieges wie z.b. von bombardements, kampfflugzeugen feuer und zerstörung bilder von flüchtlingen folgen. es wird suggeriert, das die kriegshandlungen eine reaktion auf das elend der flüchtlinge sei und nicht das die flucht eine der folgen des krieges ist. in den rtl-nachrichten wird zunächst us-aussenministerin albright gezeigt, die sagt "wir wollen mit milosovic gar nicht mehr verhandeln ...". danach folgen bilder von zerstörungen, kampfflugzeugen und -hubschraubern. im kommentar wird sogar erwähnt, daß es nach einer serbischen meldung bei luftangriffen auf ein lager im kosovo 10 tote und 16 verletzte zivilistInnen gegeben habe. zu bildern von kampfflugzeugen und soldaten wird im off-kommentar gesagt:

"über einen einsatz von bodentruppen soll beim nato-gipfel am wochenende diskutiert werden. während bonn ihn weiterhin ablehnt macht sich großbritannien für einen einmarsch im kosovo stark um die rückkehr der flüchtlinge zu ermöglichen, notfalls auch ohne ein friedensabkommen. im kosovo werden sie zur zeit gejagt und bedroht"

in dem moment, wo der sprecher "rückkehr der flüchtlinge" sagt wechsel die einstellungen zu bildern von flüchtlingen. wiederum reicht das erwähnen der flüchtlinge und die nicht näher belegte aussage, sie würden "gejagt und bedroht" um die vorher gezeigten kriegshandlungen zu legitimieren.

alle informationen über "greueltaten", "bedrohungen" etc. stammen von der kriegspartei nato. im gegensatz zu der infomation, das die meldung über ermordete zivilisten von einer "serbischen nachrichtenagentur" stammen wird dies aber nicht besonders erwähnt. vielmehr werden die informationen der nato als "objektive nachricht" vermittelt.

bilder von toten und verletzten zivilistInnen werden selten gezeigt. die am 21. april 1999 in allen nachrichten gezeigten aufnahmen von zerstörten brücken z.b. zeigen immer nur beton und keine menschen. auch diese bilder stammen von der kriegspartei nato. es ist auch davon auszugehen da die nato bilder mit verletzten oder toten zivilistInnen nicht veröffentlichen würde.

in den tagesthemen (ard) wird am 21. april 1999 ein bericht des ard-korrospondenten klaus below in belgrad gezeigt der zivile opfer darstellt, die in einem belgrader krankenhaus behandelt werden. die tagesthemen leiteten diesen beitrag so ein:

"die folgen der angriffe sind täglich im jugoslawischen fernsehen zu begutachten, wobei man sich nie sicher sein kann, ob diese bilder nicht zum teil trügen. und auch wenn unser korrospondent in belgrad, klaus below, auch wenn der selbst drehen darf, dann wird ihm immer nur ein ausschnitt der wirklichkeit präsentiert. möglicherweise auch eine inzenierung. und, alles was er uns schickt unterliegt zusätzlich der zensur. unter diesen voraussetzungen seine reportage aus einem belgrader krankenhaus."

auch in der ard gibt es deratige bemerkungen zu den informationen der kriegspartei nato nicht.

2
soldaten der "eigenen seite" werden nur positiv dargestellt

es wird nicht dargestellt wie nato-soldaten töten. bombenabwürfe wirken wie eine technische inszenierung da dabei keine opfer zu sehen sind. wenn opfer zu sehen sind, sind keine soldaten und keine kriegsgeräte zu sehen, es wirkt wie eine "höhere gewalt" die diese menschen verletzt hat.

bundeswehrsoldaten werden vornehmlich bei "humanitären aktionen" gezeigt. in den pro7-nachrichten berichtet der sprecher:

"mit beginn der flüchtlingswelle hatte die bundeswehr in mazedonien in nur 3 tagen ein auffanglager aus dem boden gestampft. erste zuflucht für 3000 flüchtlinge. nun haben die deutschen soldaten abschied genommen, ihr camp wurde an hilfsorganisationen übergeben."

es folgen bilder von zelten, klatschende und lächelnden menschen bei der symbolischen "schlüsselübergabe". und der off-kommentar:

"das in 20 km entfernung granaten einschlagen - man könnte es fast vergessen. den soldaten wird derweil schwer ums herz, erfuhren sie doch in den vergangenen wochen zum ersten mal in mazedonien, daß sie wirklich helfen konnten."

und dann kommt der oberfeldwebel marco leibetseder (schrifteinblendung) zu wort:

"man möchte gerne oder man hofft das man leute wiedersieht weil sie einen kennen und weil man sich dann freuen kann. das man wahscheinlich die wenigsten wiedersehen und somit tut es schon weh freunde quasi zu verlassen die wahrscheinlich auf längere sicht super freunde geworden wären

so wird von deutschen soldaten ein individuelles, liebenswertes bild vermittelt. das es sich eigentlich um zum töten ausgebildete kämpfer handelt wird ausgeblendet. im gegensatz dazu bleiben die soldaten der anderen seite anonym, bezeichnet nur durch ihre "greueltaten".

3
informationen über poltische hintergründe des krieges sind oberflächlich und erfolgen erst nachdem politische entscheidungen bereits getroffen worden sind

am 21. april 1999 wurde eine neue russische friedensinitiative bekannt. einzig die vox-nachrichten berichten genauer über den politischen inhalt der initiative:

"vier wochen nach beginn der nato-angriffe bemüht sich rußland erneut um eine friedliche lösung. aussenminister iwanow legte in paris einen 6-punkte friedensplan vor. darin wird unter anderem die sofortige einstellung der nato-luftangriffe, die rückkehr aller flüchtlinge und der rückzug sämtlicher serbischer streitkräfte aus dem kosovo gefordert. voraussetzung für ein gelingen sei allerdings eine internationale präsenz im kosovo, die belgrad genehmigen müsse. der russische kosovo-sonderbeauftrage tschernomyrdin reist morgen zu gesprächen nach belgrad."

mit diesen wenigen informationen steht vox allerdings an der spitze dessen, was die nachrichten am 21. april 1999 im vergleich über die russische friedensinitiative berichteten.

die anderen privatsender berichteten nur, das es eine friedensinitiative gab und das tschernomyrdin nach belgrad reist. kein weiteres wort über den inhalt der initiative. ard und zdf berichteteten umfangreicher, brachen aber trotzdem die informationen über den inhalt der initiative nicht.

im zdf wurde im gegenteil in kurzer zeit eine große menge irrelevanter informationen vermittelt. zu bildern der russischen politiker wird folgender off-kommentar gesprochen:

"victor tschernomyrdin ist zurück im kremel. zurück bei seinem alten chef, boris jelzin. nach 13 monaten politischer versenkung soll der ex-premier nun richten, was andere bisher nicht zustande brachten: frieden für den kosovo. fast unbemerkt begann er, nun jelzins sonderbeautragter in sachen kosovo, seine mission. zunächst reiste er nach georgien, aserbaijan und in die ukraine, genau jene ehemalige sowjetrepubliken also, die jetzt gerne nato-mitglieder würden. doch im fall kosovo herrscht einigheit so tschernomyrdin im gespräch mit dem georgischen präsidenten eduard schewardnadze. eine internationale friedenstruppe sei unvermeitlich um die sichere rückkehr der flüchtlinge zu garantieren."

in den ersten drei sätzen geht es nur um personen. besser gesagt um namen. dann folgen die reisen in die ehemaligen sowjetrepubliken die jetzt gerne nato-mitglieder würden. warum diese reisen etwas mit der friedensmission zu tun haben wird nicht deutlich, da ein entscheidender teil des friedensplanes gar nicht genannt wird: die forderung nach sofortiger einstellung der nato-luftangriffe! herausgestellt wird aber am ende die notwendigkeit einer internationalen friedenstruppe. inhaltlich genannt wird also nur der teil der initiative, der auch für die kriegspartei nato annehmbar ist.

insgsamt sind die "hintergrundinfos" nicht geeignet eine eigene auseinandersetzung zuschauerInnen mit der kriegspolitik zu unterstützen. nicht das verstehen der zusammenhänge wird gefördert sondern das gefühlt, daß etwas passiert, daß die politikerInnen - und seien es in diesem falle die russischen - etwas tun. was sie tun, spielt letztendlich keine rolle.

die eigentliche funktion, die der presse in der bürgerlichen gesellschaft zugeschrieben wird, durch politische information eine öffentliche auseinandersetzung und diskussion zu befördern die die politische prozesse begleitet, wird so nicht erfüllt. dies wird besonders deutlich auch an einer, ebenfalls am 21. april 1999 vom deutschen aussenminister joschka fischer ins spiel gebrachten friedensinitiative, zu der bonner ard-korrospondent in den tagesthemen sagt:

"man äußert sich hier ein bißchen sybillinisch, man sagt wir dürfen noch nicht alles verraten weil wir den verhandlungen in washington nicht vorgreifen wollen und weil man eben solche verhandlungen auch gefährden könnte."

nicht eine öffentliche diskussion darüber, was die bundesregierung in washington vorschlägt ist gefragt. auch hier geht es nicht darum, zu vermitteln was die regierung tut, sondern nur darum zu vermitteln, daß sie irgendetwas tut. die ergebnisse werden erst präsentiert, wenn die entscheidungen (in washington) gefallen sind.

thomas molck