Wie weiter oben schon erwähnt, zählt das Recht
auf eine Wohnung bis heute nicht zu den vom Grundgesetz
garantierten Grundrechten. Auch die Auswirkungen der Aufnahme in
verschiedene Länderverfassungen sind dadurch begrenzt, daß etwa
die Mietrechtsgesetzgebung praktisch alleinige Angelegenheit des
Bundes ist, und die Gerichte sich primär an diese Gesetze zu
halten haben.
Als das Bundesverfassungsgericht am 26. Mai 1993 beschloß, das
Besitzrecht von MieterInnen an der gemieteten Wohnung als
Eigentum im Sinne von Art. 14 (1) GG zu kennzeichnen, kam es
bereits zu erschrockenen Reaktionen von Regierung und
Wohnungswirtschaft. [19] Man
befürchtete wohl, daß die freie Verfügungsgewalt über das
Privateigentum an Wohnungen zugunsten der MieterInnen
eingeschränkt werden könnte. [20]
Von der Gruppe der PDS/LL im Bundestag wurde 1994 der folgende
Entwurf für den Artikel ‘Recht auf Wohnung’ einer neuen
Verfassung [21] vorgelegt:
“Artikel 53 - Recht auf Wohnung
(1) Jeder Mensch hat das Recht auf eine angemessene Wohnung.
(2) Der Staat ist verpflichtet, Wohnungsbau und
Wohnungserhaltung zu fördern. Er sorgt für einkommensgerechte
Mieten und gewährleistet gesetzlichen Kündigungsschutz.
(3) Erweiterten Kündigungsschutz genießen Schwangere,
Erziehende von Kleinkindern, Kinderreiche, Alleinerziehende,
Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen.
(4) Eine Räumung von Wohnraum darf nur erfolgen, wenn
Ersatzwohn- raum zur Verfügung steht .”[22]
Zwar würde die Aufnahme des Menschenrechts auf Wohnung als
Grundrecht oder Staatsziel weder das kapitalistische System in
seinen Grundfesten erschüttern noch die Vermögensbildung mit
Hilfe von Wohnungseigentum unmöglich machen. Zwar würden die
Ausgangspositionen für mieterInnenfreundliche
Gesetzesinitiativen, die Rechtsprechung sowie praktische
Verwaltungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Wohnens verbessert
werden.
Das steht ganz offensichtlich im Gegensatz zu den ökonomischen
und politischen Interessen von WohnungseigentümerInnen und
Bundesregierung: Die Verfassungsinitiative wurde jedenfalls ohne
Begründung im Bundestag abgelehnt. [23]
[19] “Ihre Auffassung begründeten die Richter damit,
daß die Wohnung für jeden Bürger ‘Mittelpunkt seiner
privaten Existenz’ sei. Der einzelne sei auf ihren Gebrauch zur
Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse ‘sowie zur
Freiheitssicherung und Entfaltung seiner Persönlichkeit’
angewiesen ”, FAZ, 7.7.93.
[20] Vgl. PDS/Linke Liste im Bundestag, Wohnen ist
Menschenrecht, S. 71.
[21] Und zwar nach Art. 146 GG, in dem es heißt: “Dieses
Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine
Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier
Entscheidung beschlossen worden ist.”
[22] Bundestagsdrucksache 12/6570 vom 12.01.94.
[23] “Was das Grundgesetz angeht, so wurde im Bundestag
mit dem Bericht der gemeinsamen Verfassungskommission (Drucksache
12/6000) erneut jede Aufnahme abgelehnt” , PDS/Linke Liste
im Bundestag, Wohnen ist Menschenrecht, S. 70.