2.2 Die ‘Tammsche Stadtplanung’

Nachdem umfangreiche statistische und soziologische Einzelstudien erstellt wurden und eine Ausstellung im Ehrenhof [484] reges Interesse zeigte, beschließt man 1950 einen erneuten ‘Neuordnungsplan’ [485]. Für seine Durchführung wird ein Zeitraum von 30 Jahren veranschlagt.
1952 wurde das Wiederaufbaugesetz des Landes Nordrhein-Westfalens erlassen, und somit wird der gerade erstellte ‘Neuordnungsplan’ ein Teil des nun zu erstellenden Flächennutzungsplanes. Mit dieser Aufgabe wird der Stadtplaner Professor Friedrich Tamms beauftragt, der bis 1969 das Amt des obersten Düsseldorfer Stadtplaners innehaben wird.
Friedrich Tamms war Musterschüler des Wirtschaftswissenschaftlers Keynes [486], dessen Theorie vom Verschulden des Staates durch den Bau von Verkehrsnetzen sich die Nationalsozialisten zu eigen gemacht hatten. Bei diesen war Tamms schon frühzeitig bei der obersten Bauleitung der Reichsautobahnen. Nach dem Krieg waren in der Düsseldorfer Innenstadt 85% aller Gebäude unbewohnbar; sie boten einen großen Freiraum für den Tammschen Flächennutzungsplan. [487]
Dieser Flächennutzungsplan, der auf eine Stadt von höchstens 800.000 EinwohnerInnen ausgerichtet ist, wird Grundlage des Wiederaufbaus der Stadt Düsseldorf. [488] Der Schwerpunkt des Planes liegt in der Verkehrsplanung, die einen starken Einfluß auf das gesamte Stadtbild nimmt. So wird eigens dafür eine ‘Umlegungsbehörde’ eingerichtet, die die Aufgabe hatte, für die ‘Freilegung’ von ca. 2000 Grundstücken zu sorgen.
Viele Neuerungen und Veränderungen innerhalb der Stadt werden allgemein anerkannt. Im Frühjahr 1958, nachdem Prof. Tamms bei einem Vortrag über die Neugestaltung des Südrandes des Hofgartens den Vorschlag eröffnet, “ eine über 500 Meter lange Hochstraße zur Aufnahme des Nord-Süd-Verkehrs über den Platz hinweg zu bauen” [489], kommt es erstmals zu planungspolitischen Auseinandersetzungen. Nach vielen Eingaben und Protesten versammeln sich 10.000 Menschen am 15. Januar 1961 zu einer von der ‘Vaterländischen Arbeitsgemeinschaft’ aufgerufenen Protestkundgebung vor dem Rathaus. Nachdem kleine Veränderungen im Bauplan vorgenommen werden [490] und die Proteste bald nachlassen, wird der sogenannte ‘Tausendfüßler’ trotzdem errichtet.
Viele Straßen und auch ganze Straßenzüge erhalten bei der generellen Umgestaltung der Stadt ein neues Gesicht und eine neue Funktion. “ Aus der schmalen, ruhigen und vornehmen Immermannstraße, in der während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Vorliebe Maler gewohnt hatten, wurde eine breit angelegte, mit hohen Wohn- und Geschäftshäusern bestandene Durchgangsstraße .”[491] Nicht nur durch das neue Erscheinungsbild vieler Straßen verändert sich die Stadt. Viele Firmen wollen ihr erfolgreiches Emporstreben mit immer noch höheren Bürohäusern präsentieren. So entstehen zunächst an der Friedrichstraße das 14-stöckige Gebäude der Provinzial-Versicherungsanstalt, dann das 55 Meter hohe ‘Dommel-Haus’ an der Immermannstraße, darauf der 56 Meter hohe Sitz der Landesversicherungsanstalt an der Adersstraße. Weiter folgen an der Haroldstraße das 60 Meter hohe Gebäude der Landesregierung und das 88 Meter Mannesmannhaus am Rheinufer. Vorläufig findet dieses ‘Nach-oben-streben’ den ‘krönenden’ Abschluß, trotz großer Bedenken in der Bevölkerung, in der 100 Meter hohen Hauptverwaltung der ‘Phoenix-Rheinrohr’ am Jan-Wellem-Platz [492]. Dieses ‘Thyssen-Haus’ oder auch 'Drei-Scheiben-Haus' wird dann als neues Wahrzeichen der Industrie und Werbung der aufstrebenden Stadt Düsseldorf in alle Welt getragen. [493]
In den Jahren zwischen 1949 und 1959 sind in Düsseldorf 97.000 Häuser mit 320.000 Wohnungen neu gebaut worden. Mit einer EinwohnerInnendichte von 44 Menschen je Hektar liegt Düsseldorf 1957 an dritter Stelle der bundesdeutschen Großstädte. [494] Um diese EinwohnerInnendichte zu entzerren beginnt die Stadt 1959 mit ihrem größten Wohnungsbauvorhaben. Am südlichsten Zipfel der Stadt sollen 7.500 Wohnungen für 30.000 Menschen entstehen. 1971 leben in diesem neu geplanten Stadtteil ‘Garath’ 28.000 Menschen.


[484] Der Ehrenhof ist die alte Düsseldorfer Messe.
[485] Auffallende Besonderheiten waren große Nord-Süd-Verbindungen, eine Parallelstraße zur Königsallee mit Straßenbahn, eine Verbreiterung der Kölner Straße sowie deren Verlängerung über Pempelforter Straße in die Duisburger Straße, Verlängerung der Kasernenstraße, fünf Straßen zur West-Ost-Verbindung,...
[486] John Maynard Keynes was Sozialökonom und Direktor der Bank von England. Er war Mitschöpfer des internationalen Währungssystems nach 2. Weltkrieg, vgl. Bertelsmann Universallexikon, CD-ROM.
[487] Vgl. Arbeitsgruppe Stadtplan, Unterm Pflaster liegt kein Strand, in Überblick, 5/80.
[488] Vgl. Weidenhaupt, H., Kleine Geschichte der Stadt Düsseldorf, 6. Aufl., S. 206.
[489] Ebenda, S. 206.
[490] Der Hofgarten wurde nicht um den Teil verkleinert, wie es vorgesehen war.
[491] Weidenhaupt, H., Kleine Geschichte der Stadt Düsseldorf, 6. Aufl., S. 207.
[492] vgl. Weidenhaupt, H., Kleine Geschichte der Stadt Düsseldorf, 9. Aufl., S. 204.
[493] “Allein im Jahre 1964 wurde es 367 mal in ausländischen Zeitungen veröffentlicht” Ebenda, S. 204.
[494] Vgl. Weidenhaupt, H., Kleine Geschichte der Stadt Düsseldorf, 6. Aufl., S. 211.


Zur nächsten Seite

Zurück zum Inhaltsverzeichnis