Ausschlaggebend für die angespannte politische
Situation sind vor allem die zerrütteten wirtschaftlichen und
sozialen Verhältnisse, und hierbei in erster Linie der
chaotische Arbeits- und Wohnungsmarkt.
Nur wenige Wochen vor der Kapitulation des Deutschen Reichs
hatten Düsseldorfer Rüstungsbetriebe noch große Aufträge des
Heeres entgegengenommen. In den ersten Nachkriegsmonaten werden
nun tausende von ArbeiterInnen aus den großen Fabriken
entlassen. [226] Durch die von
der Front zurückströmenden Soldaten werden außerdem unzählige
Frauen, die während des Krieges in der Rüstungsindustrie
gearbeitet hatten, wieder aus dem Produktionsprozeß gedrängt .
“Diese Erwerbslosen, nicht nur Industriearbeiter, sondern auch
Kaufleute, Handwerker und junge Frauen ohne Beruf, bildeten das
zwar radikale, aber instabile und flüchtige Reservoir für den
in jenen Monaten in Düsseldorf stark aufkommenden
Anarcho-Syndikalismus und den Kommunismus in seinen verschiedenen
Spielarten .”[227]
Erschwerend kommt in Düsseldorf noch hinzu, daß die Alliierten
jegliche Handelsbeziehungen mit dem linken Rheinland und
Elsaß-Lothringen untersagen, so daß viele, über Jahre
gewachsene Geschäftsverbindungen und zahlreiche Zulieferbetriebe
aufgegeben werden müssen.
“Die Arbeitslosigkeit/Erwerbslosigkeit erreichte in
Düsseldorf im Februar/März [1919] mit 15.063 Männern
und etwas verzögert Ende März/Anfang April mit über 9.000
Frauen, also rund 24.000 Personen (ca. 20 Prozent der
Düsseldorfer Arbeitnehmerschaft), ihren Höhepunkt .”[228]
Am 17. November erläßt der Bundesrat die Verordnung, im
gesamten Reich Demobilmachungsausschüsse (DEMA) einzurichten.
Bereits im Oktober 1918 hatte die Stadtverwaltung einen ‘Ausschuß
für den Krieg zum Frieden’ gebildet, der nun in DEMA umbenannt
wird. Die Aufgaben des Ausschusses und des ebenfalls gegründeten
Demobilmachungsamtes liegen insbesondere darin, Aufträge für
die Industrie einzuholen, Rohstoffe zu besorgen, vorhandene
Arbeit zu verteilen bzw. zu ‘strecken’, und die Weiterbildung
von Arbeitslosen zu organisieren. Anfang 1919 richtet man
innerhalb der DEMA eine zentrale Arbeitsnachweisstelle [229] ein, da die “Arbeitslosigkeit
(...) der Stadt nicht nur wegen der daraus folgenden politischen
Unruhen große Sorgen [bereitete], sondern auch, weil sie
fürchtete, breite Schichten könnte weiter verelenden, [und]
auf die Dauer ‘körperlich und sittlich entarten und dann dem
Produktionsprozeß nicht mehr zur Verfügung stehen .’”[230]
Diese Arbeitsnachweisstelle, die unter Einbindung einer Fürsorge
für BerufsneueinsteigerInnen 1921 zum Arbeitsamt wird, sieht
sich ständigen Angriffen ausgesetzt. Es kommt vor, daß erboste
ArbeiterInnen - teilweise mit Waffengewalt - versuchen, einen
Arbeitsplatz zu erhalten. Auch von linken Parteien und
Organisationen werden die Maßnahmen der DEMA, die sich “dämpfend
auf die revolutionären Stimmungen in der Stadt ” [231] auswirken, kritisiert.
[232]
Am 8. März 1921 besetzen Französische Truppen als Sanktion
Düsseldorf [233], da sich die
Reichsregierung außerstande sieht, die geforderte Kriegsschuld
von 269 Milliarden Goldmark zu zahlen.
[226] “ Rheinmetall entließ zeitweilig wöchentlich
1.000 seiner Beschäftigten ”, Weidenhaupt, H.,
Düsseldorf-Geschichte, Band 3, S. 266.
[227] Ebenda, S. 272.
[228] Ebenda, S. 270.
[229] Dies geschah bis dahin über gewerbsmäßige
Stellenvermittlungen.
[230] Ebenda, S. 271.
[231] Ebenda, S. 272.
[232] Jachmann, H., Düsseldorf in der Weltwirtschaftskrise,
S. 13.
[233] U.a. auch noch Duisburg, Mülheim und Oberhausen